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1. Teilbericht (Vorbericht)
© ANISA
Forschungsberichte der ANISA für das Internet. 3, 2025 (ANISA FB 3, 2025)
Aktualisierungen vorbehalten!
Die Gletscherberichte, Gletscherzustandsberichte und Gletschermessungen der ANISA versuchen mit vielfältigen Bilddokumentationen den Klimawandel und die Auswirkung der Gletscherbewirtschaftung auf die Umwelt sowie auf das sich dadurch wandelnde Landschaftsbild zu veranschaulichen. Sie wollen die Glaziologie, die insbesonders auf den Dachsteingletschern unter mangelnder Kontinuität leidet, bereichern und ergänzen. Die Mitglieder der ANISA liefern im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit Forschungsansätze, Fotografien, Messmarken und unterstützende Dokumente für die Glaziologie und für interessierte Wanderer und Bergsteiger.
Gletscherbericht 2025
Schladminger und Hallstätter Gletscher
Dachsteingebirge
Oberösterreich und Steiermark
von Franz Mandl
27 Jahre Schladminger Gletscherdokumentationen der ANISA, Verein für alpine Forschung
Eine kleine Zeitreise: 1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004, 2005, 2006, 2007, 2008, 2009, 2010, 2011, 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2020, 2021, 2022, 2023, 2024, 2025
Der Schladminger und Hallstättrer Gletscher 2025
Vorbericht
Medienberichte über die schwindenden Dachsteingletscher überschlagen sich!
Die Medien überbieten sich in negativen Prophezeiungen. So wurde behauptet, die Gletscher hätten sich schon getrennt bzw. der Hallstätter Gletscher würde in 5 Jahren verschwunden sein. Grundlage bilden nicht ganz so korrekt wiedergegebene Aussagen von Personen, die sich als profunde Kenner der Gletscher darstellen wollen bzw. auf die Folgen der Klimaerwärmung drastisch hinweisen wollen.
1.
Am 11.08.2025 kam die Meldung in den Medien, dass sich der Hallstätter Gletscher vom Schladminger Gletscher getrennt habe. An diesem Tag hatte die Verbindung noch 5,38 m Länge. Sie bestand aus Alteis und künstlich von Pistenraupen aufgetragenem Eisgranulat von insgesamt etwa 2 m Höhe. Nunmehr werden täglich Eisgranulate aufgeschüttet, um den Weg für Touristen und den Pistenraupen passierbar zu erhalten.
Gjaidsteinsattel. Bis zur Trennung des Schladminger Gletschers vom Hallstätter Gletscher fehlen 2025 noch 5,6 m. Foto: ANISA/Mandl, 19.08.2025
2.
Am 19.08.2025 geisterte die Meldung in den Medien, dass der Hallstätter Gletscher 2030 verschwunden sein werde. Auch das trifft höchstwahrscheinlich nicht zu. Derzeit hat der Gletscher in oberen Bereichen vermutlich noch eine Eisdicke von bis zu 70 m, an einigen Punkten möglicherweise sogar noch von 100 m. Denn laut einer Studie von Prof. Fischer aus dem Jahr 2006 hatte der Gletscher damals noch eine Eisdicke von bis zu 140 m. Der Untergrund besteht aus tiefen Karsttälern. In 5 Jahren werden diese 70 Meter Eismächtigkeit eher nicht abschmelzen können, außer die Klimaerwärmung würde bis dahin ein ungeahntes katastrophales Ausmaß erreichen.
Gletscherzustand. Hallstätter Gletscher am 19.08.2025. Im oberen Bereich zwischen Dirndl und Hohem Dachstein sind die tiefsten Eismassen zu erwarten. Foto: ANISA/Mandl, 19.08.2025
3.
Am 20.08.2025 kam die Meldung in diversen Medien - darunter auch im ORF, dass die Reste eines Liftes aus Holz gefunden worden seien. Auch hier wäre es notwendig gewesen die Fundumstände und den Fundort von einem Fachmann untersuchen zu lassen. Nach unseren ersten Recherchen könnte es sich auch um Reste des Standplatzes der Gletscher-Taxis der 1970er und 1980er Jahre handeln. Damals gab es bis zu 3 Taxis, die einen Standplatz und einen Serviceplatz für den Ölwechsel und Reparaturen benötigten. Dieser Standplatz ist in den vergangenen 50 Jahren der Schwerkraft folgend mit dem Gletscher nach Nordwesten gewandert. Zu Beginn der Gletscherbewirtschaftung befand sich die tiefste Stelle des Gjaidsteinsattels in der Nähe der noch existierenden Bergrettungshütte. Dort standen zur Zeit der Errichtung der Bergstation zwei Unterkunftshütten für die Arbeiter. Eine davon wurde abgerissen. Ein Teil des Materials könnte in Gletscherspalten 30 m tief entsorgt worden sein, da seither etwa 30 m an Eishöhe abgeschmolzen sind. Heute weist der Bereich dieses Fundplatzes eine dunkle, beinahe schwarze Verfärbung auf. Quellen: Prospekte des Verkehrsvereins, Ramsau am Dachstein/Ansichtskarten/Fotografien/THALLER, Heribert: Ramsau am Dachstein. Schladming o.J. (1997).
Das gelbe x kennzeichnet den Fundplatz der Holzreste. Hallstätter Gletscher am 19.08.2025. Foto: ANISA/Mandl, 19.08.2025
Einleitung
Das Dachsteingebirge inmitten Österreichs ist Teil der Nördlichen Kalkalpen, die sich von Wien bis zum Bodensee erstrecken. Im Norden davon liegt der weltbekannte Ort Hallstatt und im Süden die steirische Ramsau. Das Gestein im Gletschervorfeld besteht zum überwiegenden Teil aus gebanktem Dachsteinkalk (Geologische Karte der Dachsteinregion, Wien 1998). Die sieben stark abschmelzenden Dachsteingletscher sind die östlichsten Gletscher der Alpen und befinden sich in einer Höhe zwischen 2240 m und 2900 m.
Aktuelle Informationen und Rückblicke
Ein Teil der Lifte auf dem Schladminger Gletscher wurden 2023 abgebaut. Die rasante Eisabsenkung hatte zuvor zu immer wiederkehrenden Anpassungen der Liftstützen gezwungen. Die Schneedepots neben der Nordwand des Koppenkarsteins bleiben für den Langlaufsport erhalten. Zusammenfassend kann während der 56-jährigen Bewirtschaftung des Schladminger Gletschers ein erheblicher nachteiliger Eingriff durch Verschmutzung, Vermüllung und Baggerarbeiten beobachtet werden.
Gletscherbegehungen und Gletschermessungen 2025
Der Schladminger Gletscher war am 11.08.2025 zu 99% ausgeapert. Der Bereich unserer Messlinie ist möglicherweise noch von einem etwa 50 m tiefen Karsttal geprägt. Das bedeutet, dass der Gletscherrückgang einer Steilstufe nach unten folgt. Auch die Hangneigung zur Nordwand des Koppenkarsteins muss berücksichtigt werden.
ANISA-Koppenkarstein-Messlinie 2025
Bericht folgt
Gjaidsteinsattel
Gjaidsteinsattel, 2630 m. In der Karte von Hübner (1899) liegt der Sattel auf 2649 m. Der Gletscher erreichte um 1880 noch die 2668 m hoch gelegene Kuppe, auf der heute ein Strommast steht.
Bericht folgt
Gjaidsteinsattel. Bis zur Trennung zwischen Schladminger und Hallstätter Gletscher fehlten am 11.08.2025 noch 5,38 m. Die Verbindung wird durch die Aufschüttung von Eisgranulat auf die alte Eisverbindung künstlich aufrechterhalten. Am 19.08.2025 wurden 5,6 m gemessen. 2024 waren es noch 15 m (21 m mit Eisaufschüttung für den touristisch genutzten Gletscherweg). Foto: ANISA/Mandl, 31.08.2024
Schladminger Gletscher Bildteil Forschung 2025
Bericht folgt
Wir betreiben auch Gletschermüll-Archäologie und Umweltschutz
Bericht folgt
Klimawandel durch von Menschen verursachte Klimaerwärmung
Wie erklärt man die derzeitige rasante Klimaerwärmung?
Während sich früher nachhaltige Klimaänderungen in Jahrhunderten bzw. Jahrtausenden vollzogen haben, ist nun eine anthropogene Warmzeit angebrochen, die im alpinen Raum bereits in wenigen Jahrzehnten eine noch nicht abgeschlossene durchschnittliche Temperaturerhöhung von 2° C ermöglichte. Diese Erwärmung führt zu den inzwischen gehäuften Starkniederschlagsereignissen und Stürmen mit ihren zerstörerischen Ergebnissen.
Temperaturverlauf von 1760 bis 2024. Quelle: GeoSphere Austria (ZMAG)
Vorläufige Bilanz der GeoSphere Austria zum meteorologischen Sommer 2024: Über die gesamte Fläche Österreichs gesehen war es der zweitwärmste Sommer der Messgeschichte. Im Tiefland war es der wärmste Sommer der 258-jährigen Messreihe. Der Sommer 2024 ist die vierte extrem warme Jahreszeit in Folge in Österreich. Auch der Herbst 2023, der Winter 2023/24 und der Frühling 2024 lagen in der jeweiligen Messreihe unter den Top 3. https://www.zamg.ac.at/cms/de/klima/news/einer-der-waermsten-sommer-der-messgeschichte-1 . Näheres zum Klimawandel findet der Leser unter: GeoSphere Austria https://www.zamg.ac.at/cms/de/klima/informationsportal-klimawandel/klimavergangenheit/palaeoklima.
Dementsprechend schmelzen nun unsere Gletscher rascher ab. Von einstmals annähernd 1 m Rückgang der Eisdicke pro Jahr sind es in den letzten Jahren auf dem Schladminger Gletscher durchschnittlich 2 m geworden. Diese Eisdickenabnahme korreliert mit dem abgebildeten Temperaturverlauf von 1760 bis 2023. Quelle: GeoSphere Austria (ZMAG). Der derzeit verwendete Durchschnittswert der Eisdickenabsenkung unserer Alpengletscher wird seit dem Maximalvorstoß um 1850 mit ~1 m angegeben ( FISCHER, A., 2023, 30).
Anmerkung zur Gletscherforschung
Die Dokumentation des Längenrückzugs und der Absenkung
der Eisdecke des Gletschers sind einfache Tätigkeiten, die durchaus
ehrenamtliche Mitarbeiter durchführen können. Was für die Dachsteingletscher
jedoch fehlt, sind Sedimentanalysen und Gletschereisdatierungen. Hier könnte man
wichtige Ergebnisse
zu Bodenbedeckung, Gletschergeschichte und Kontaminierung erzielen. Die
ANISA hat schon 2001 mit Prof. Dr. Gernot Patzelt am Rande des Hallstätter Gletschers
Radiokohlenstoffdatierungen durchgeführt. 2019 ist darüber ein Beitrag von G. Patzelt
in www.anisa.at,
Gernot Patzelt:
Die prähistorische Gletscher- und Vegetationsentwicklung im Bereich des
Hallstätter Gletschers. (Dachsteingruppe), 2019.
Allgemeine Hintergrundinformationen
Die ANISA-Messlinie wurde zwischen der Höhencote des Alpenvereins von 1947 und der Koppenkarnordwand fixiert. 1998 war dieser mit roter Farbe markierte Punkt nur noch schwach zu erkenen. Um diese historische Markierung nicht zu verlieren, wurde diese Marke inzwischen mehrmals nachgemalt. Einige Meter nach dieser Markierung wurde von der ANISA ein Bohrloch für einen Messnagel angefertigt und bestückt.
Nicht abgeschlossene Abschmelzvorgänge von Gletschern ergeben einen Mix aus dem Vor- und Messjahr. Unser Ziel war es deshalb, den Beginn des jährlichen Abschmelzprozesses und das Ende knapp vor der winterlichen Schneebedeckung des Kalenderjahres zu dokumentieren bzw. einzumessen. Dadurch erhält man exaktere Daten zum jährlichen Gletscherrückgang!
2003 bildete sich erstmals ein kleiner Gletschersee mit einer Schwinde, in die das Wasser abfließen konnte. Mit dem zurückweichenden Gletscher verschwand dieser See und es bildete sich 2010 weiter südlich ein viel größerer See. Zuerst unauffällig, vergrößerte er sich Jahr für Jahr und erreichte 2021 eine Länge von 100 m. 2023 hatte er bereits einen Durchmesser von 140 m. Sein Abfluss erfolgt ebenfalls durch eine Schwinde. Der Seespiegel bleibt aber weitgehend stabil.
Berücksichtigt man im Luftbild als Messpunkte die sichtbaren Moränen, Schotterflächen, Erosionsflächen, Vegetationsgrenzen und den Gjaidsteinsattel, so erreichte die max. Fläche des Schladminger Gletschers mit Einbeziehung der Gjaidsteinosthänge (ohne Berücksichtigung der Horizontalprojektion) 1850 annähernd 3 km². Der Umfang betrug etwa 9 km. (Quelle: Orthofoto, DORIS-Intermap des Landes Oberösterreich, 2015.)
Friedrich Simony (1895, 137) gibt für den Schladminger Gletscher für die Zeit um 1880 eine Fläche von 199 ha an. Erik Amberger/Erwin Wilthum errechneten 1951 für den Schladminger Gletscher folgende Ausdehnungen: 1856/225 ha, 1872/199 ha, 1899/180 ha, 1928/125 ha, 1934/97 ha, 1951/81 ha. Das entspricht einen Flächenverlust von 64% zwischen 1856 und 1951.
2022 weist der Schladminger Gletscher eine Fläche von nur noch annähernd 0,60 km² auf. Das entspricht etwa einem Fünftel der ursprünglichen Fläche. Der Umfang beträgt 3,6 km (Orthofoto, DORIS-Intermap des Landes Oberösterreich, 2015). Der Eismassenverlust ist als fundamentaler Wert zu betrachten. Da nicht nur vier Fünftel an Gletscherfläche verloren gegangen sind, sondern auch vom verbleibenden Fünftel etwa die Hälfte bereits abgeschmolzen ist, kann man lediglich von einem verbleibenden Zehntel der Eismasse von 1850 ausgehen. Wegen der fehlenden Werte zu den Eishöhen bzw. mangels der dazu notwendigen verlässlichen Profile sind diese Angaben als Überschlagsrechnungen zu werten. Wesentlich für die Abnahme der Gletschermasse auf unseren Karst- und Kargletschern ist die Abnahme der vertikalen Eishöhe und nicht der Längenrückgang eines Gletschers. Mit Eishöhenprofilen kann die Massenbilanz genauer berechnet werden. Der Hallstätter Gletscher verlor seit 1850 ungefähr die Hälfte seiner Fläche und drei Viertel seiner Masse. Dennoch kann vermutet werden, dass sich durch den Rückzug auf größere Höhen und die dort herrschenden tieferen Temperaturen der Längenrückzug und der Eismassenverlust verlangsamen werden. Bei Radartiefenmessungen auf dem Schladminger Gletscher von 2007, die der Bewirtschafter der Gletscher in Auftrag gegeben hatte, wurden immerhin Tiefen bis zu 130 m erreicht. Falls diese stimmen (man sollte diesen Messungen Ungenauigkeiten zugestehen, da am unteren Gletscherrand angegebene Tiefen von bis zu 50 m inzwischen eisfrei oder beinahe eisfrei geworden sind), wird der Schladminger Gletscher möglicherweise noch in 30 Jahren als kleiner toter Eiskörper in einer Karstgrube an einen Gletscher erinnern.
Der vom Koppenkarstein herabgestürzte Sprengschotter vom Bau der Militärstation Anfang der 1970er-Jahre hat 2014 das Gletscherende erreicht. Zwischen Felswand und Schotterkegel entstand in den vergangenen 51 Jahren ein Abstand von 260 m. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass sich der Schuttkegel erst an einer flacheren Stelle auf dem Gletscher bildete und nicht gleich an der sehr steilen Wandzone. Zusammenfassend kann im letzten Jahrzehnt eine verstärkte Abnahme der Eismasse festgestellt werden, die mit der derzeitigen wissenschaftlich belegten anthropogen beeinflussten Klimaerwärmung korreliert.
Auf dem etwa 100 m höher gelegenen Gjaidsteinsattel wurden ähnliche Verhältnisse wie bei unseren beiden Messsteinen am Rand des Schladminger Gletschers vorgefunden. 1896 berichtet M. Groller, dass der Grat an der Schneide der beiden benachbarten Gletscher mit einer sehr zerklüfteten und verwitterten Endkuppe (2668 m) unter dem Firn verschwinde. Diese Endkuppe kann nur die Erhebung, auf der heute ein Strommast steht, sein. Die hier 2014 durchgeführte Tachymetermessung ergab ebenfalls die Höhe von 2668 m! In der Gletscherkarte von A. Hübner 1901 reichte das Eis am Gjaidsteinsattel nur noch bis 2649 m. Vom Strommast bis zum 2024 nur noch 15 m (22 m mit künstlicher Aufschüttung für den Gletscherweg) breiten Gletscherdurchgang am Gjaidsteinsattel hat sich der Gletscher um 237 m zurückgezogen (GPS und DORIS-Intermap).
Humusbildung
Eine ausreichende Humusbildung im Gletschervorfeld der Dachsteingletscher für einen Baumbewuchs dürfte mehrere Jahrtausende benötigen. Im 170 Jahre altem Randbereich der Moräne wachsen derzeit nur angepasste Moose und Pionierpflanzen. Von einer nennenswerten Humusbildung kann erst außerhalb des Gletschervorfeldes gesprochen werden. Diese Böden haben sich bereits im Postglazial vor etwa 10.000 Jahren bzw. nach 8200 Jahren gebildet.
Die Denudationsentwicklung des Dachsteinkalks an den eisfrei gewordenen Bankungen und Karstgassen am Rande des Schladminger Gletschers
Die Denudation der aus dem Eis geaperten Karstgassen ist an deren Seitenwänden geringer als auf deren kantengerundeten Graten. Die in diesen Gassen angesammelten Steine liegen auf dem Eis und weisen eine beachtliche Masse auf, die an den Wänden durch das Mitsinken frische Runsen und Kratzer hinterlassen. Die vom Gletschereis frei gewordenen Karstgassen liegen in einem nur leicht geneigten Gelände in einer wilden zerklüfteten Karstlandschaft quer zum Gletscherabfluss. Das einstige in den Karstgassen und Dolinen gestaute Eis konnte dem oberen Gletscherabfluss nicht folgen. Diese Eislager erreichten Höhen bis zu 30 m. Der Denudationsunterschied zu weiter entfernten Klüften und Karstgassen ist hier viel geringer. Zweifellos ist das 2017 frei gewordene Areal viel länger unter einer Eisdecke gelegen als das hinter der Messmarke von 2003. Mit einer Datierung dieses Denudationsspektrums könnten wichtige Daten zu Langzeitständen des Gletschers und zur Klimageschichte der letzten 12.000 Jahre gewonnen werden. Vgl. dazu den Beitrag zur 12.000-jährigen Klimageschichte auf den Seiten der GeoSphere Austria: https://www.zamg.ac.at/cms/de/images/klima/bild_ip-klimawandel/klimavergangenheit/palaeoklima/3-1_2_zeitreise.
Glazialerosion
Die Glazialerosion formte ein postglaziales (nacheiszeitliches), hufeisenförmiges Gletscherbett. So entstand ein Kar mit allen durch die Ablation sichtbar gewordenen Merkmalen eines Gletschers: Stirn- und Seitenmoränen, Schotterablagerungen, erodierten Felsen, einem kleinen Eissee und einem beinahe bewegungslosen, absterbenden Eiskörper. Die Eishöhe dieses Gletscherareals im Jahr 1850 lässt sich an der Nordwand des Koppenkarsteins an dunkel bzw. hell verfärbten Rändern erkennen. Dieser Durchschnittswert wurde nur durch Klimaschwankungen verändert. Die Klimaforschung belegt für die Alpen zwischen 4000 bis 2000 vor Chr. eine Klimaerwärmung um 2° bis 3 °C. In diesem Zeitabschnitt sind unsere Gletscher weitgehend abgeschmolzen (vgl. Das Lexikon zu Glaziologie, Schnee- und Lawinenforschung der Schweiz. Hrsg. v. d. Redaktion Schweizer Lexikon und der Gletscherkommission der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften. Luzern 1993). Die ältesten noch erhaltenen Eisreste in den Karstgassen und Dolinen des Schladminger Gletscherareals könnten jedoch wegen der extremen Nordstaulage älter als 4000 Jahre sein. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Zeit des prähistorischen Klimaoptimums mit der Neolithischen Revolution korreliert. Es ist eine Kulturrevolution und Aufbruchszeit des Ackerbaues und der Viehzucht. Dazu kommt später die Metallverarbeitung von Kupfer und Bronze. Für diese Erneuerung wurden von Asien (bereits ab 8000 v. Chr.) bis Europa riesige Brandrodungen durchgeführt, die sogar noch in den südlich gelegenen Alpen nachweisbar sind (vgl. PATZELT, Gernot: Datierung von Feuerstellen in prähistorischen Hirtenhütten im Waldgrenzbereich ostalpiner Gebirgsgruppen. Praearchos 4/2013, 34, 60-63). Zweifellos haben diese Brandrodungen mit ihren gewaltigen Kohlendioxyd-Emissionen erstmals in der Menschheitsgeschichte eine anthropogene Klimaerwärmung verursacht! Dazu benötigte der neolithische Klimawandel mehrere tausend Jahre. Der aktuelle industriell verursachte Klimawandel hat dagegen in nur 200 Jahren eine solche Klimaerwärmung, die zudem noch weiter fortschreitet, zu Stande gebracht.
Literatur:
ARNBERGER, Erik/WILTHUM, Erwin: Die Gletscher des Dachsteinstockes in Vergangenheit und Gegenwart. In: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines. 97. Band, Linz 1952, 181-214.PATZELT, Gernot: Die prähistorische Gletscher- und Vegetationsentwicklung im Bereich des Hallstätter Gletschers (Dachsteingruppe). https://www.anisa.at/Hallst%C3%A4tter%20Gletscher,%20Dachsteingruppe_Patzelt_2019.html
REINGRUBER, Klaus: Gletscherrückgang am Beispiel Dachstein. In: bergundsteigen,
100 (2017), 64-66.
REITMAIER, Thomas (HG.): Gletscherarchäologie. Kulturerbe in Zeiten des
Klimawandels. Darmstadt 2021.
SIMONY, Friedrich: Das Dachsteingebiet. Ein geographisches Charakterbild aus den
Österreichischen Nordalpen. Wien 1895. 124-150.
SIMONY, Friedrich: Über die Schwankungen in der räumlichen Ausdehnung der
Gletscher des Dachsteingebirges während der Periode 1840 - 1884. In:
Mitteilungen der Kais. Königl. Geographischen Gesellschaft in Wien. Band XXVIII,
1885, 117.
TIEBER, Alexandra/LETTNER, Hebert/HUBMER, Alexander/BOSSEW, Peter/SATTLER,
Birgit: Anreicherung von Radioaktivität in Kryokoniten (Schmutzrinde) auf dem
Hallstätter Gletscher. In: Forschungeberichte der ANISA 2, 2009, 177-180.
MAYER, Karoline; RITTER, Kathariana; FRITZ, Angelika; Architektuzentrum Wien:
Über Tourismus. [Ausstellungskatalog] Wien/Zürich 2014.
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weiterführende Links:
https://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_Dachsteingebirge_2024.html
https://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_Dachsteingebirge_2023.html
https://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_Dachsteingebirge_2022.html
https://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_Dachsteingebirge_2021.html
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_Dachsteingebirge_2020.html
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_Dachsteingebirge_2019.html
http://www.anisa.at/Gletscher_Plogging_2018_ANISA.html
http://www.anisa.at/Waldhorngletscher_2018_ANISA.html
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_ Dachsteingebirge_2017.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_ Dachsteingebirge_2016.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_2015.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_2014.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_2013.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_2012.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_2011.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_2010.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_2009.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_2008.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_2003.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_1999.htm
Dachstein-Chronologie: Dachstein Chronologie.htm