Dendrochronologie Jahrringchronologie Dendroklimatologie

 

Wolfgang Gindl, Giorgio Strumia, Michael Grabner, Rupert Wimmer

Dendroklimatologische Rekonstruktion der Sommertemperatur am
östlichen Dachsteinplateau während der letzten 800 Jahre

Dieser Artikel ist in den Mitteilungen der ANISA 1999 mit Abbildungen erschienen! Buchbestellung


1. Einleitung
Die Dendroklimatologie, ein Teilgebiet der Dendroökologie, beschäftigt sich damit, aus dem Baumwachstum Informationen über das Klima zu erhalten (Schweingruber 1996). Ein umfangreiches Wissen über die Wechselwirkungen von Klima und Holzbildung ist zur Durchführung dendroklimatologischer Studien nötig.
Bei den Nadelbäumen gemäßigter bis borealer Zonen der nördlichen Hemisphäre sind klimatisch determinierte Wachstums- und Ruhephasen klar unterscheidbar. Im Frühjahr setzt die Tätigkeit der Wachstumsschicht (Kambium) unter der Borke des Baumes ein. Am Beginn der Vegetationszeit wird helles, wenig dichtes Frühholz gebildet, das im Hochsommer in dunkleres, dichtes Spätholz übergeht. Die kühlen Temperaturen des Spätherbstes beenden das Baumwachstum bis zum nächsten Frühling. Die Farbunterschiede zwischen Frühholz und Spätholz ermöglichen es, die Zuwächse einzelner Jahre, die Jahrringe, klar zu unterscheiden.
Neben der Bodenbeschaffenheit und der Konkurrenzsituation im Bestand bestimmt hauptsächlich das Klima den jährlichen Zuwachs der Bäume. In den Waldgrenzgebieten des östlichen Dachsteinplateaus sind es vor allem die Temperatur und die Dauer der Vegetationsperiode, die das Wachstum der Lärchen (Larix decidua Mill.) und Zirben (Pinus cembra L.) begrenzen (Tranquillini 1979). Der positive Zusammenhang zwischen den Sommertemperaturen und dem Wachstum bewirkt, dass in kalten Jahren schmale Jahrringe ausgebildet werden, und der Zuwachs wärmerer Jahre breiter ausfällt. Betrachtet man den fein geschliffenen Querschnitt eines Lärchenstammes (Abb. 1), erkennt man deutlich die wechselnde Abfolge von breiten und schmalen Jahrringen. Da ähnliche klimatische Variationen in großen geographischen Regionen wirken, sind auch die Abfolgen von schmalen und breiten Ringen über weite Gebiete ähnlich. Darum ist es möglich, die Muster, die sich aus Messserien von Jahrringbreiten verschiedener Bäume ergeben, zu synchronisieren (siehe Friedrich 1997).

2. Klimarekonstruktion mit Jahrringen
Instrumentelle Temperaturaufzeichnungen für den Alpenraum liegen nur für einen Zeitraum von ca. 200 Jahren vor. Jahrringserien können viel weiter in die Vergangenheit zurückreichen. Um aus Jahrringparametern, im vorliegenden Fall die Jahrringbreite, auf das Klima schließen zu können, muss man wissen, welche klimatischen Faktoren die Jahrringbildung beeinflussen (Fritts 1976).
Da die Jahrringbreite innerhalb eines Baumes einem Alterstrend unterliegt (mit zunehmendem Alter werden immer schmälere Jahrringe gebildet), muss in einem ersten Schritt mit einem mathematischen Verfahren dieser Trend aus der Messserie entfernt werden (Standardisation). In der Folge wird der maßgebliche klimatische Einfluss mittels eines Vergleiches von Klimadaten und Jahrringbreiten bestimmt (Korrelationsanalyse). Nun ist es auch möglich, aus der Ausprägung der Jahrringeigenschaften Informationen über das Klima zu gewinnen. Mit den Daten der Periode, in der die Temperaturaufzeichnungen sich mit der Jahrringchronologie überlappen, wird eine Kalibrationsfunktion errechnet. Mit Hilfe dieser Funktion werden dann für den Zeitraum, in dem keine Temperaturmessungen vorliegen, die Temperaturen geschätzt.

3. Lärchen- und Zirbenchronologien vom östlichen Dachsteinplateau
Insgesamt wurden 49 Lärchen (Larix decidua Mill.) und 76 Zirben (Pinus cembra L.), großteils mit dem Zuwachsbohrer (Abb. 2), beprobt. Bis zu 640 Jahre alte Einzelbäume konnten gefunden werden. Durch Synchronisation mit Holzproben von toten Bäumen (Abb. 3) und von Almhütten (Abb. 4, Tabelle 1) konnten zwei gut belegte, 800 Jahre zurückreichende Jahrringbreiten-Chronologien erstellt werden (Abb. 5).

4. Ergebnisse der Klimarekonstruktion
Eine Korrelationsanalyse ergab, dass die Durchschnitte der Mitteltemperaturen der Monate Juni, Juli und August einen hohen Anteil der jährlichen Schwankungen der Jahrringbreite von Lärche und Zirbe erklären. In Abb. 6 sind die Jahrringbreitenkurven der beiden Holzarten und die Sommertemperaturen (Juni-Juli-August Mittelwerte) des Sonnblick Observatoriums (Böhm 1992) dargestellt. Man erkennt, dass die Jahrringbreiten sehr gut mit den Sommertemperaturen korrelieren (rLärche = 0,58; rZirbe = 0,70). Eine Schätzung der Sommertemperaturen des vorinstrumentellen Bereiches mittels des gefundenen Zusammenhanges ist daher möglich.
Die Abb. 7 zeigt die rekonstruierten Temperaturen der letzten 800 Jahre. Klar erkennbar ist der Wechsel zwischen kälteren und wärmeren Phasen. Die Kälteperioden der “Kleinen Eiszeit” (Bradley and Jones 1993), von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis in das 19. Jahrhundert, sind deutlich ausgeprägt.

Insgesamt eignen sich die Lärchen und Zirben des östlichen Dachsteinplateaus hervorragend für dendroklimatologische Untersuchungen. Das gibt Anlass zur Hoffnung, bisher veröffentlichten, tausendjährigen Temperaturrekonstruktionen aus anderen Gebieten Eurasiens (Briffa et al. 1990, 1995) bald eine mitteleuropäische hinzufügen zu können.

5. Zusammenfassung
Die Sommertemperatur der vergangenen 800 Jahre am östlichen Dachsteinplateau wurde mit einer Lärchen- (Larix decidua Mill.) und Zirbenchronologie (Pinus cembra L.) rekonstruiert. Die rekonstruierte Temperaturkurve weist charakteristische wärmere und kältere Phasen auf, so zum Beispiel die Kleine Eiszeit, die mit historischen Daten übereinstimmen.

6. Abstract
The summer temperature of the past 800 years was reconstructed using a Larch (Larix decidua Mill.) and a Stone pine (Pinus cembra L.) chronology from the eastern Dachstein plateau. Corresponding with historical data, the reconstruction shows distinct periods of higher and lower temperatures, such as the Little Ice Age.

Literatur
Böhm R (1992) Lufttemperaturschwankungen in Österreich seit 1775.
Österreichische Beiträge zu Meteorologie und Geophysik, Heft 5
Bradley RS and Jones PD (1993) “Little Ice Age” summer temperature variations: their nature and relevance to recent global warming trends. The Holocene 3: 367-376
Briffa KR, Bartholin TS, Eckstein D, Jones PD, Karlen W, Schweingruber FH and Zetterberg P (1990) A 1400-year tree-ring record of summer temperatures in Fennoscandia. Nature 346: 434-439
Briffa KR, Jones PD, Schweingruber FH, Shiyatov SG and Cook ER (1995) Unusual twentieth-century summer warmth in a 1000-year temperature record from Siberia. Nature 376: 156-159
Friedrich M (1997) Dendrochronologische Datierung von Almen des östlichen Dachsteinplateaus. Mitt ANISA 18: 71-94
Fritts HC (1976) Tree rings and climate. London, New York, San Francisco: Academic press
Schweingruber FH (1996) Tree rings and environment. Dendroecology. Berne: Haupt
Tranquillini W (1979) Physiological ecology of the alpine timberline. Tree existence at high altitudes with special reference to the European Alps. Berlin, Heidelberg, New York: Springer Verlag



Adresse der Autoren:
Arbeitsgruppe für Holzbiologie und Jahrringforschung, Institut für Botanik
Universität für Bodenkultur, A-1190 Wien, Peter-Jordan-Straße 82
Tel.: 01-47654-4268 / E-Mail: michael.grabner@boku.ac.at

www.boku.ac.at/holzforschung


 

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