Wissenschaftlich inspirierte Darstellungen bzw. Dokumentationen von Felsbildern und anderen Objekten sind urheberrechtlich geschützte Werke !

Ein richtungweisendes Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 17. 12. 2002, 4 Ob 274/02a

Klagevertreter  RA Dr. Herwig Hauser,  A-1010 Wien, Riemergasse 9, herwig.hauser@hn-p.at

 Zusammenfassung der Rechtssätze des Urteils :

Kläger und Beklagter sind auf dem Gebiet der Erforschung alpiner Felsritzbilder wissenschaftlich tätig und haben einschlägige Publikationen verfasst. Der Beklagte benutzte eine vom Kläger angefertigte und bereits in einem Buch erschienene Zeichnung eines Felsritzbildes („Adlerfelsen“ im Lofer-Gebiet) für sein eigenes, später aufgelegtes Buch, ohne dafür die Erlaubnis des Klägers eingeholt zu haben. In der Buchabbildung des Beklagten wurde die Zeichnung des Klägers nur unwesentlich verändert und ohne Nennung des Klägers abgebildet.

Sowohl das Erst- als auch das Berufungsgericht vertraten die Meinung, die Zeichnung des Klägers sei keine eigentümliche geistige Schöpfung, welche Urheberschutz genieße, weil der Kläger mit ihr nichts Neues geschaffen, sondern nur das Felsritzbild abgezeichnet habe. 

Der Oberste Gerichtshof verwarf diese Rechtsmeinung und sprach aus, dass das Vorliegen einer eigentümlichen geistigen Schöpfung von der Individualität der Leistung und nicht von ihrer statistischen Einmaligkeit abhängt. Für die erforderliche Individualität eines urheberrechtlichen Werkes genügt es festzustellen, dass ein anderer denselben Gegenstand möglicherweise anders behandelt hätte. Die eigenständige geistige Bearbeitung eines vorgefundenen Objektes oder einer Naturerscheinung kann unter diesem Aspekt ein Werk im Sinne des Urheberrechtes sein. Wenn ein in der Natur vorgefundenes Felsritzbild zeichnerisch dargestellt wird, besteht - auch wenn eine möglichst naturgetreue Abbildung erreicht werden soll - noch ausreichend Spielraum für eine individuelle Gestaltung. Es bedarf nämlich bei jeder einzelnen Linie einer geistigen Entscheidung darüber, ob es sich dabei in der Natur um eine (authentische) künstlich geschaffene Felsritze aus der Entstehungszeit des Felsbildes, um eine nachträgliche willkürliche Ergänzung oder gar um eine natürliche Verwitterungserscheinung des Felsens handelt. Das Ergebnis dieser geistigen Leistung ist eine besondere Darstellung, die den Stempel der Individualität des Zeichners trägt und die aufgrund ihrer individuellen Handschrift in der Auswahl der vorgefundenen Linien geeignet ist, sich von Zeichnungen anderer Forscher desselben Felsritzbildes zu unterscheiden. Die Zeichnung des Klägers wurde daher als urheberrechtlich geschütztes Werk beurteilt. Der Beklagte wurde zur Unterlassung der Vervielfältigung und Verbreitung, zur Beseitigung der Skizze aus seinem Buch, zur Rechnungslegung und zum Kostenersatz verurteilt.

 zum Text des Urteils

Scientifically inspired depictions of rock art images are works protected by copyright.

A direction-giving ruling of the Austrian High Court

Plaintiff and defendant are both active in the scientific research of alpine rock art and have authored relevant publications on the subject. The defendant has used a drawing of a rock art image created by the plaintiff in his own, subsequently printed book, without soliciting the permission of the plaintiff. The plaintiff’s drawing was used in the defendant’s book without significant modifications and without naming the plaintiff.

Two lower courts had previously found that the plaintiff’s drawing was not an original intellectual creation, which would be protected by copyright, because the plaintiff had with it not created a new work, he merely copied the rock art motif.

However, the High Court rejected this finding and pronounced, that the existence of original intellectual creation is contingent upon individuality of execution, and not of statistical uniqueness. For the required individuality of a copyrighted work it suffices to establish that someone else might have treated the same object differently. The autonomous mental treatment of a found object or natural feature can in this sense constitute a copyrighted work. When a rock art image found in nature is graphically recorded, even when a faithful likeness is intended, adequate latitude for individual creative rendering does remain. It still requires with every line a mental judgment whether there is an authentic, artificial groove on the rock, occasioned at the time of the motif’s creation, or a later intentionally added feature, or even a natural weathering feature of the rock. The result of this mental act is a specific depiction, which bears the stamp of the recorder’s individuality and which, due to its individual signature in the selection of the available lines, has the potential of differing from the drawings of other scholars of the same rock art motif. The drawing of the plaintiff was therefore judged to be protected by copyright. The defendant was sentenced to abstaining from reproducing and disseminating, to removing the sketch from his book, and costs were awarded against him.

 

 

 

Die von unserem Wiener Rechtsanwalt Dr. Herwig Hauser erwirkte Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) in Wien über den  urheberrechtlichen Werkschutz von Zeichnungen bzw. Dokumentationen von Felsbildern ist am 11. 2. 2003 bei uns eingelangt.

Felsbilddokumentationen, in die Interpretationen eingeflossen sind,

sind nun gesichert als Werke urheberrechtlich geschützt !

Rechtsanwalt Dr.Hauser: "Diese Rechtsprechung ist nicht nur für die Felsbildforschung von eminenter Bedeutung. Sie verhindert generell bei wissenschaftlich inspirierten Zeichnungen Plagiate und fördert die Transparenz! Niemand wird in Zukunft die in einer grafischen Darstellung ausgedrückten Forschungsergebnisse eines Dritten eigenmächtig "bearbeiten" (d.h. verändern) und anschließend dem Publikum ohne Anführung des wahren Urhebers als sein eigenes Werk "verkaufen" dürfen. Der Oberste Gerichtshof hat für diese ganz und gar unwissenschaftliche Arbeitsweise des Beklagten die richtigen Worte gefunden: "Irreführung und Verfälschung!"

Die fachgerechte Dokumentation von Felsritzbildern ist zeitaufwändig, teuer und zumeist beschwerlich, erfordert aber auch Fachwissen und die Fähigkeit zur - meist subjektiven - Interpretation. Mag. Werner Pichler (Beklagter) übernahm in seinem Buch "Zeichen der Vorzeit. Felsbilder der Alpen" ein Bild von Franz Mandl (Kläger) ohne die Erlaubnis des Urhebers eingeholt zu haben. Werner Pichler versuchte, durch unwesentliche Veränderung bzw. Verfälschungen das Urheberrecht zu umgehen. Sein Buch verfügt zwar über einen Abbildungsnachweis, worin er aber den Urheber Franz Mandl nicht als Bildquelle anführt und zugleich selbstbewusst behauptet: "Alle übrigen Abbildungen stammen vom Autor"! 

Eine Abweisung der Klage des Urhebers hätte einen ungeheuren Schaden für die Felsbildforschung bedeutet, da allen Personen erlaubt worden wäre, publizierte Felsbildzeichnungen ohne Erlaubnis der wahren Urheber zu vervielfältigen, zu verfälschen und als die eigenen Darstellungen auf den Markt zu bringen. Damit wäre die Tür zur rechtlich gedeckten Erstellungen von Plagiaten aufgetan worden. Es hätte sich die Frage gestellt, wer dann noch die Mühe einer aufwändigen und teuren Dokumentation von Felsbildzeichnungen auf sich nehmen würde, hätte der Urheber in einem Fall wie diesem weder ein Recht auf Namensnennung, noch auf Entgelt durchsetzen können.

Zum Vergleich:

Original von Franz Mandl (in : Zeichen aus dem Fels. Spuren alpiner Volkskultur. 1991)

Die blau markierten Zeichen entfernte Pichler, was eine unzulässige Verfälschung darstellt. Der rote Pfeil zeigt den Bereich, wo Pichler überdies einen Strich verlängert hat. Die Proportionen des Bildes stimmen überein, auch die Druckfehler wurden aus dem Werk von Franz Mandl übernommen.

Kopie (Umkehrung) von Werner Pichler 2001:

Pichler nahm vom Original einen Ausschnitt, kehrte die Farben um und veränderte mit zwei kurzen Strichen im oberen Bereich das Bild! Pichler erwähnt in seinem Buch weder das Original, noch begründet er seine beiden winzigen Veränderungen am Bild. Es liegt auch kein wissenschaftlich notwendiger oder nachvollziehbarer Grund dafür vor. Auch für den Leser sind diese Änderungen kaum erkennbar! Für den Leser ist es aber unzumutbar, dass Pichler wesentliche Teile des Bildes weggelassen hat.

Gerade Pichler, der immer auf dem Kontext in der Felsbildforschung beharrt, verletzt hier seinen eigenen Grundsatz durch die Wiedergabe eines willkürlichen Ausschnittes aus einem Bild von Franz Mandl. Überdies wurde weder die Zustimmung für diese Änderungen des Urhebers eingeholt, noch wurde diese im Text oder Abbildungsverzeichnis erwähnt und zitiert. Pichler gibt vielmehr alle nicht im Abbildungsverzeichnis angeführten Abbildungen als seine eigenen Abbildungen aus. In seriösen wissenschaftlichen Publikationen ist es hingegen üblich und urheberrechtlich geboten, verwendete Bildvorlagen korrekt zu zitieren.

Pichler rechtfertigte sein Vorgehen, wie folgt:

"Ich scanne alle mir zur Verfügung stehenden Fotos und Zeichnungen ein, vergleiche die digitalisierten Versionen und versuche, die optimale Lösung zu finden. In diesem Fall standen mir einige Fotos u.a. von Burgstaller und Adler sowie Ihre Zeichnung zur Verfügung. Dass die von mir abgedruckte Version fast identisch ist mit Ihrer, spricht in diesem Fall für die Genauigkeit Ihrer Zeichnung. Da es aber keine 1:1 Kopie ist und zusätzlich im Computer grafisch verändert wurde, fällt die Darstellung nicht mehr unter die Copyright-Bestimmungen" .

Wir konnten diese wahrlich verblüffende Auslegung des Urheberrechtes nicht akzeptieren und brachten - nachdem unsere Klage aus ebenso unverständlichen Gründen in der 1. und 2. Instanz abgewiesen worden war - die Sache vor den Obersten Gerichtshof als höchste Instanz, wo uns wie erwartet Recht gegeben wurde. Abschließend bleibt uns zu hoffen, dass W. Pichler aus diesem Urteil gelernt hat und in Hinkunft auf Urheberrechtsverletzungen und Plagiate verzichtet, womit vorerst auch eine jahrelang geführte Diskussion über Pichlers Arbeitsweise aus unserer Sicht abgeschlossen sein sollte.

zu den Rezensionen über  Pichlers Arbeit:

zurück zur Hauptseite